Buchenlicht (Kapitel 5)(Geschichte)

„Ich weiß“, sagte die Prinzessin und stupste die Fliege an, ‚Du meinst eine Hauptstadt‘, sagte sie fröhlich und kicherte, als die Fliege davonflog, ‚Was ist mit einer Hauptstadt?‘
‚Die möchten wir haben‘
‚Wofür?‘, fuhr ihn Prinzessin Allesweiß an, die es gar nicht leiden konnte, wenn Untertanen etwas forderten, ohne Gründe dafür zu nennen.
‚Für den Sonnenuntergang, den wir weiß färben möchten!‘, der Gnappmugg war nun am Ende seines Geduldsfadens angelangt. Er hatte sich auf dieses Gespräch vorbereitet, ihm wurde gesagt, dass die Prinzessin nicht sehr gescheit war. Aber dieses hohle Gespräch traf seinen Verstand wie eine gusseiserne Bratpfanne. Bevor er ausrasten und damit seinem Leben ein unschönes weißes Ende setzen konnte, denn die Prinzessin pflegte aufmüpfige Untertanen in Chlorlauge zu bleichen, bis nichts mehr von ihnen übrig war – bevor das geschehen konnte, erbarmte sich ein Ratgeber der Prinzessin, es war der aktuelle Haushofmeister Gutberg Quickelpfennig, und erklärte ihr alles drei Mal hintereinander. Nachdem er alles nochmal mit kleinen Bildern illustriert und die wichtigsten Stellen mittels einer kleinen, improvisierten Handpuppentheaters dargstellt hatte, ging der Prinzessin eine winzige Flamme auf und sie klatschte in die Hände, freute sich wie ein Walross im Planschbecken.
‚So soll es sein‘ und „Ich möchte dein dunkelweißes KIeid haben!“. Denn das Kleid des Gnappmuggs war aus schwarzer Mitternachtsspinnenseide gewebt. ‚Aber‘, setzte die Hochdurchlauchtigste einen drauf, die sogar ein Schachspiel ohne Figuren und Gegner verlieren konnte, ‚der Sonnenuntergang muss bis übermorgen weiß sein, ansonsten lasse ich dich bleichen! Und jetzt geh!“. Komischerweise konnte sich die Prinzessin wirklich nichts merken, außer Hinrichtungstermine, die gingen ihr nicht aus dem Kopf. Und ihr süßes, aber komplett irres Lachen hallte noch viele Minuten lang in den hohen, ehrwürdigen Mauern von Schloss Wickelstein.“

„Die ist ja gemein“, gab das Mädchen zu bedenken, „Ich wäre eine viel bessere Prinzessin. Ich würde jeden Tag mit allen spielen und jeder würde Kuchen bekommen!“
„Es gab mal eine Prinzessin, die hat gesagt, dass arme Menschen Kuchen essen sollen“, warf Hagen in das Gespräch ein. „Aber dann hat sie Zahnschmerzen bekommen und ist an Fusselistis gestorben.“
Das Mädchen sah ihn verwirrt an. „Was ist Fusselding?“, fragte sie schließlich. „Das bekommt man von zu viel Kuchenessen. Hat etwas mit den Haaren zu tun. Erkläre ich dir wann anders.
Wo waren wir stehen geblieben? Achja. Der arme, nun nackte Gnappmugg, er hatte sein Kleid auf der Stelle ausziehen müssen, saß gewaltig in der Patsche. So hatte er sich das nicht vorstellt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben hatte er sich vorher gar keinen Plan zurechtgelegt, Gnappmuggs sind keine Vorhernachdenker, sie ziehen eine Sache durch und handeln immer als erstes, das Denken rannte lautbrüllend und winkend irgendwo im Windschatten hinterher.
Kurz bevor Fürst Ecki sich seiner Verzweiflung hingeben wollte, fiel ihm der Zauberer Manfred aus Nipmerow ein. ‚Na klar!‘, rief Ecki aus, ‚Der olle Manfred!‘

Manfred war um die 50 und wollte sein ganzes Leben lang Balletttänzer werden. Doch auf Rügen gab es kein Ballett und er konnte sich auch keinen rosa Tüll leisten, er hatte nur vage Vorstellungen von dem Geschäft des Tanzens im Allgemein, doch das meiste davon bestand aus rosa Tüll. Also wurde er in seiner Verzweiflung Wirt und dachte sich, dass seine Lehrer Unrecht hatten, die immer meinten, dass aus ihm nichts wird. ‚Ha!‘, brüllte er manchmal aus, wenn ihm all das durch den Kopf ging, ‚Ich wurde Wirt!‘, doch seine Erfüllung war der Beruf nicht, trotz des Brüllens – armer Kerl.
Und dann erfand er, in seinem Bestreben das beste Dunkelbier der Insel zu brauen, ganz zufällig das beste Weißbier Rügens. Natürlich war das Zeug, das er zusammenpanschte nicht sonderlich gut, schmeckte wie abgestandene Pisse mit Rinnsteinwasser und einem Hauch Käsefüße, aber weil niemand sonst auf dem Eiland Weißbier herstellte und es viel Alkohol enthielt, schenkte er enorme Mengen von dem Zeug aus. Und aus diesem Grund nannte man ihn Zauberer. Bier ist toll.“, Hagen nahm einen tiefen Zug von seinem eigenen Bier.

„Die Wetterfee Elise, die für den Farbton der Sonnenuntergänge verantwortlich war, obwohl sie eigentlich lieber den Sonnenaufgang mochte und daher schwere Depressionen hatte, die sie in Alkohol zu ertränken suchte, liebte Bier. Die Gnappmuggs kannten Elise, sie hatten oft mit ihr gezecht – Zechen ist ein altes deutsches Wort für Saufen oder Bergwerksgesellschaft, ich meine in diesem Fall aber Saufen. Ihr fragt euch, warum alle in meiner Geschichte Alkis sind? Also, Elise muss seit 4,6 Milliarden Jahren etwas machen, wo sie keinen Bock drauf hat, alle Achtung wer da nicht zur Glucker greift. Elise hat fast 3 Milliarden Jahre durchgehalten. Und die Gnappmuggs sind einfach Loser, auch unter den Sagengestalten gibt es sie. Irgendwann finden Loser heraus, dass sie Loser sind und fangen an zu saufen, das ist eine ganz gewöhnliche Sache. Als würde man fragen, warum so viele Blumen blühen. Sie tun es einfach früher oder später.“
Hagen verstummte kurz, er stand kurz vor dem Finale und musste Kräfte sammeln. Sein Publikum lauschte ihm gebannt, sogar zwei weitere Polizisten hatten sich dazu gesellt, froh ein geeignetes Mittel gefunden zu haben, um die Zeit totzuschlagen.

„Ich könnte nun noch lange labern“, begann Hagen und rülpste wie ein Busfahrer im Dienst.
„wie die Sache von Statten ging, aber das wäre das Sache unwürdig. Lieber kurz und knackig und mit vollem Elan, das ist mein Motto!“
„Gummibärchensaft!“ kreischte das kleine Mädchen.
„Jedenfalls konnte der Gnappmugg ein Fass extrastarkes Weißbier von Manfred bekommen – er gab ihm dafür einen Ballen rosafarbenen Tüll und der Wirt konnte endlich seinem Traum nachjagen. Unter uns, er wurde bald der beste Balatttänzer des Nordens –das er auch der einzige Balatttänzer des Nordens war, tut hier nichts zur Sache. Er war gut. Was beweist, dass jeder das machen sollte, was er will, man lebt nur einmal, Carpe Diem und so weiter und sofort.

Das Bier brachte der eifrige Gnappmugg Elise, die voller Dankbarkeit und voller hochprozentigem Stoff die Sonnenuntergänge rot färbte. Dann, mit 675 Promille, ihrem neuen Rekord, besuchte sie ihre Schwester Thandora und log ihr vor, dass der neue göttliche Plan für die farbliche Beschaffenheit von Sonnenaufgängen rot sei. Dann schlief sie ein und Wetterfeen schlafen verdammt lange, sie schnarcht heute noch. Was aus Thandora wurde, ist mir nicht bekannt. Ich glaub sie ist tot, oder verreist.
Jedenfalls war nun guter Rat teuer, denn ein roter Sonnenuntergang war nicht gerade das, was sich unser armer Gnappmugg vorgestellt hatte. Doch er ging mutig zu Prinzessin Allesweiß und tischte ihr ne Wahnsinns Lüge auf. Das durch neue, unerhörte Erkenntnisse der Wissenschaft, die prismatische Lichtbrechung der Farbe Rot, konditionell abweichend… sich verdingst, auf irgendeinem unerklärlichen Quantenniveau – so hat er es nicht ausgedrückt, aber irgendein ähnliches Kauderwelsch, das niemand, schon gar nicht die von jeglichem Intellekt freie Prinzessin Allesweißkapieren konnte – die Farbe Rot eigentlich nur ein röteres Weiß, mit einem leichten Stich ins Rosafarbene ist. Kurz gesagt: Weiß ist gleich Rot.“
Hagen räusperte sich, trank den letzten Schluck Bier, rieb sich die Augen, kratzte sich am Bauch und sah jedem der Anwesenden ins Gesicht.

„Die Prinzessin war hingerissen und vermachte dem Volk der Gnappmuggs einen Landstrich bei Kap Arkona, damit sie dort ihre Hauptstadt errichten konnten. Das geschah und der Glanz dieser wunderschönen Stadt hätte auch heute noch die Besucher Rügens geblendet, wenn der Ködepp, die Gnappmuggsche Währung, nicht vollkommen zusammengebrochen und die Stadt daher in den Wirren der Geschichte versunken wäre. Hätten sich die verantwortlichen Steuerberater etwas mehr Zeit, als drei poplige Jahre nach der Stadtgründung, gelassen, um ihr durch Alkoholsucht verursachtes, destruktives Werk zu vollbringen, wäre die Sache auch nicht als der peinlichste Untergang einer Zivilisation, in die Annalen der Geschichte eingegangen. Aber es kam leider so. Und weil sich die Gnappmuggs so sehr dafür schämten, verschwanden sie auch vollständig und nahmen, voller Groll und Boshaftigkeit, das Rezept für die leckeren Quarktosteln mit. Damit haben sie uns echt nochmal in den Arsch gekniffen, die miesen kleinen Dreckssäcke.“
Und nach einer erneuten Pause fügte Hagen, schüchtern und mit sehr tiefer Stimme: „Ende“
Die Menge johlte und das Mädchen brüllte: „Noch eine! Noch eine!“.

Tja, so waren die Geschichten von Hagen, jetzt wisst ihr’s. Und da ihr das nun wisst, können wir weitermachen.

Teile meine Geschichten, wenn sie Dir gefallen! :)

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