Die meisten Menschen finden das Leben an sich schon zu kompliziert. Sie verbringen die meiste Zeit damit zu hadern und füllen ihre Freizeit mit Unsicherheit, zusammengezogenen Augenbrauen und Grübeln – davon bekommen sie ganz runzlige Gesichter, was die Hersteller von Hautcremes ganz euphorisch werden lässt. Und obwohl alles, von sich ausgesehen, schon schwer durchschaubar ist, wurde das Social Media erfunden. Wer mit allem nicht klar kommt und der Welt entfliehen möchte, registriert sich unter anderem bei Instagram, Twitter, oder eben Facebook. Seine Registrierung ist ein Hilferuf eines Ertrinkenden, im undurchschaubaren Datensumpf der Moderne. Und wenige Sekunden, nachdem sein Profil aufgeploppt ist und er sich als glücklicher Jünger Zuckerbergs wähnen kann, ist es für weitere Hilferufe längst zu spät. Facebook ist für 95% seiner Nutzer ein Buch mit sieben Siegeln, das in einer Sprache verfasst wurde, die sie nicht verstehen. Ständig ändern sich Sachen auf Facebook, neue Sachen kommen hinzu und Sachen verschwinden wieder. Wenn jemand meint, dass das Verlegen eines Laminatbodens kompliziert sei, sollte er gar nicht erst versuchen, sein Profilbild auf Facebook zu ändern.
Ich schreibe nun schon seit vielen Jahren Blogs, oder Blog-Artikel, wie es euch gefällt. Ich investiere mal mehr, mal weniger Zeit in diese Tätigkeit und meistens, fast ausschließlich sogar, schreibe ich für andere Leute, nicht für mich. Ich blogge fremd, könnte man sagen. Allerdings kann ich das Wort „Bloggen“, nicht leiden, genauso wenig wie Blog, Blogger oder Bloggerchen. Ich überwinde jedoch meine linguistische Abneigung gegen „Blog“, um es anderen einfacher zu machen, mein Betätigungsfeld zu verstehen. Denn was ich noch mehr hasse, als jenen Terminus technicus („Blog“), sind endlose Erklärungsversuche. Und weil diese nun nicht weiter nötig sind, kann ich mit dem eigentlichen Thema beginnen und wir sparen uns viel Zeit.
Doch für manche ist das Buch der Gesichter nur Mittel zum Zweck. Sie glauben, dass man dort, wo sich viele Menschen herumtreiben, prima Werbung machen kann. Werbung für… tja, wofür eigentlich? Für alles! Und diese Tatsache führt uns zu den Blogs.
Blogs sind eine Art Weiterentwicklung von virtuellen
Gästebüchern, die vor 20 Jahren so beliebt waren, dass jeder eins davon hatte
und jeder der keins hatte, eins haben wollte. Kein Gästebuch war notwendig oder
nützlich. Aber sie waren immerhin da, was vor 20 Jahren schon eine Menge wert
war. Der größte Unterschied zwischen Gästebüchern und Blogs besteht darin, dass
in Letzteren nicht die Besucher etwas schreiben, sondern die Besitzer und die
Besucher den Text dann lesen, kritisieren und in seltenen und für den Blogger
glücklichen Fällen, auch teilen.
Jeder Mensch der Schreiben kann, sich mit Internet verbinden kann und sich Webspace
besorgen kann, kann sich einen Blog anlegen. Und weil all diese
Grundvoraussetzungen auf die meisten Bewohner, der meisten reichen Länder,
dieses armen Planeten zutreffen, gibt es so viele Blogs. Und wo es viele Blogs
gibt, gibt es viele Texte und wo es viele Texte gibt, gibt es leider auch
verdammt viel Bockmist. Und was zieht den Bockmist des Internets geradezu
magisch an? Richtig: Facebook.
Auf Facebook gibt es Gruppen, wo sich die ganzen selbsternannten Bloggerprofis treffen, Gute und Schlechte, wie bei RTL. Hier können sie sich austauschen und durch konstruktive Kritik wachsen – jedenfalls könnten sie es, wenn nicht ihr Ego in den meisten Fällen etwas dagegen hätte. Denn viele Blogger sind zu doof, egoistisch, lernresistent und kleinkariert – um zu Kritik als etwas Gutes aufzufassen. Sie verzapfen irgendeinen haarsträubenden Blödsinn, über irgendein Thema, von welchem sie keine Ahnung haben und klopfen sich dafür selbst auf die Schulter.
Einem Großteil aller Blogs wird allerdings kein Interesse geschenkt, sei es, weil sie zu schlecht geschrieben wurden, zu gut geschrieben wurden, was andere Blogger neidisch macht, belanglos, oder schlicht und ergreifend uninteressant sind. Echte Kritik ist ein seltenes und wertvolles Gut, das niemand zu schätzen weiß – entweder wird ein Artikel in den Himmel gelobt, grausam zerrissen, oder einfach links liegen gelassen. Frei nach dem Motto:
Solange sie niemanden ernstlich weh tun, werde ich sie geflissentlich ignorieren“
Gleichwohl verhält es sich mit unintelligenten Menschen, denen man auch nicht sagt, dass sie dumm sind. Zum einen, weil man einen unnötigen Konflikt vermeiden möchte, zum anderen, weil sie ohnehin nichts an ihrem Schicksal ändern möchten – schließlich sind sie ja überzeugt davon, ziemlich clever zu sein.
Doch neben diesen schlechten, aber harmlosen Bloggern, gibt es noch jene, die fehlendes Talent durch Aggression, Provokation und Indoktrination auszugleichen versuchen. Diese Spezies von Schreiberlingen, die eng mit den Internettrollen verwandt ist, sind in den seltensten Fällen schreibbegabt. Sie haben eine Ahnung, dass man aus Buchstaben Wörter bauen kann und Wörter, wenn man sie aneinanderreiht, Sätze ergeben. Mit diesem, doch eher rustikalem Wissen narrativer Schöpfungskraft, fabrizieren sie etwas, das wir in Ermangelung eines zutreffenderen Begriffs, als Blög bezeichnen möchten (Blöder Blog). Die Themen der Blögs sind vielschichtig plump, enthalten massenhaft Unwahrheiten und drehen sich meist um Ernährung, Sex und Politik. Sie können aber auch aktuelle Fragen des Alltags aufgreifen. Kurz: alles, womit man Klicks generieren kann und was den Horizont des Verfassers nicht zu weit übersteigt.
Die Blögger verlinken ihre Machwerke in diversen Facebookgruppen und warten sehnsüchtig darauf, dass jemand sie liest. Doch im Gegensatz zu den herkömmlichen, schlechten Bloggern, die nah am Wasser gebaut sind und Kritik eher fürchten, freuen sich Blögger, wenn man ihre Werke angeht. Denn dann können sie, mit geschickt-provokanten Reaktionen, einen regelrechten Shitstorm auslösen, auf welchem sie dann reitend und „Yippie yah yei“ schreiend, den Klick-Highscore stürmen.
Wenn dann andere Blogger versuchen, Kritik privat anzusprechen und nicht in der Öffentlichkeit, reagieren die Blögger aggressiv, schließlich sehen sie in gutgemeinter Kritik absolut keinen Mehrwert. Sie sind gemein, primitiv, arrogant, stumpfsinnig, vulgär, beleidigend und vor allem stohdumm! Meide sie, ignoriere sie, überlese sie und du wirst mehr Freude am am Leben haben, oder auch nicht.
Ist dieser Text über Blögger übertrieben? Ja. Stimmt es, dass es fast nur schlechte Blogs gibt? Nein. Warum schreibe ich das alles? Ich glaube, ich hatte einfach Lust, eine Hassrede zu verfassen – eine Hassrede adressiert an die Dummheit dieser Welt, manifestiert in provokativ schlechten Blogs, respektive ihren Verfassern. Manchmal hat man keine Medizin, um eine Krankheit zu heilen – aber es tut gut, dem Erreger dennoch einmal ordentlich die Fresse zu polieren. Vor allem in Zeiten von Corona (wegen SEO und so).
In diesem Sinne, macht‘s besser!
Chefspatz