Doch Hagen sah seine anderen Zuhörer streng an und fragte abermals: „Ist das
klar?“
Und die Mange gab ein wenig überzeugendes „Jaaaa!“ von sich. „Geht doch!“ fügte
Hagen mit einem Grinsen hinzu. „Das nächste Mal mit etwas mehr Elan, wenn ich
bitten darf“
„Was ist Elan?“, kam prompt die Frage.
„Eines Tages“, fuhr Hagen unbeirrt fort und blinzelte in Richtung der
gestellten Frage, „kam ein Gnappmugg zu der Prinzessin, voller Elan. Elan ist
eine Art Bier, schmeckt aber wie Gummibärchensaft, irres Zeug, leider weiß
niemand hier wo man es bekommen kann“
„Mama! Ich will Elan haben, jetzt!“
Hagen musste lachen. „Hier hast du einen Bonbon, der ist fast genauso gut“, er
sah fragend die Mutter an und sie nickte ihm zu. Dann gab er ihrer Tochter die
Süßigkeit und stellte sie damit für einige Zeit zufrieden. Kinder brauchen
Bilder in Geschichten und etwas Süßes – das war Hagens Motto.
„Gnappmuggs sind lustige Kerle. Gnappmuggs sind etwa kniegroß, alle scheinen
Kerle zu sein, grob und grimmig, doch tragen sie Frauenkleider und strubblige
Bärte und essen am liebsten, wie könnte es anders sein? Natürlich:
Quarktosteln.
Man könnte Gnappmuggs mit Zwergen verwechseln, doch dafür sind sie zu hässlich
und wer von Gnappmugg spricht, sagt ständig Gnappmugg, also ist eine
Verwechslung unwahrscheinlich.
Gnappmugg, Gnappmugg, Gnappmugg, Gnappmugg, Gnappmugg, Gnappmugg.“
Hagen sah in die Gesichter seiner Zuhörer. „Und jetzt alle! Und wenn es
dieses Mal nicht mit Schmackes kommt, könnt ihr euch die Geschichte selbst zu
Ende erzählen!“
Ein nervöses Raunen ging über den kleinen Platz, dann folgte ein Chor vieler
verschiedener Stimmen der rief:
„Gnappmurg, Gnappmugg, Knappmugg,
Gnappnugg, Knappmuk, Gnappmugg,
Knappmugg, Gnappmugg, Gnappmugg,
Gnappmugg, Gnappmugg, Knappmugg, Gnappmugg, Gnappmugg, Gnappmugg!“,
manche sprachen es falsch aus, manche waren leise, manche laut und am Ende
lachten alle und das kleine Mädchen und die beiden Jungen, die neu dazugekommen
waren, kreischten und tanzten herum.
„Gnappmuggs“, fuhr Hagen fort und versuchte das Brüllen durch noch lauteres
Brüllen zu übertönen, „sollen einmal Mutter Natur den Flacon des Blumendufts
gestohlen haben, denn sie sind durch die Bank weg harte Alkoholiker und
schlucken alles was sich kriegen lässt. Zur Strafe verloren sie ihre
Heimatstadt Huxxx und waren lange, lange Zeit heimatlos. Doch nun witterten sie
ihre Chance, zurückzubekommen was sie einst verloren haben.“
Der Geschichtenerzähler griff nun tief in die Zauberkiste seiner narrativen
Zauberkiste und förderte eine Stimme zu Tage, die tatsächlich einem Gnappmugg
gehört haben könnte oder einer lispelnden Gießkanne mit einer
Nebenhöhlenentzündung:
‚Hochwohlgeborene höchstdurchlauchtigste bauchpinseligste Prinzessin Kevina von Holzrübe‘, Schmaunzte der Gnappmugg hochtrabend – Schmaunzen ist eine überreife, sehr ölige, arschkriecherische Art – und verbeugte sich so tief, dass seine baumwurzelgleiche Nase auf den Bodendielen plattgedrückt wurde. Er nannte die Prinzessin bei ihrem richtigen Namen und sie war dumm genug sich darüber zu freuen und die Grimassen ihrer Höflinge, die sich das Lachen kaum verkneifen konnten, als Ausdruck ihrer Loyalität zu sehen.“, Hagen nahm einen Zug von seinem Bier, scheinbar war es anstrengend diese lustige Gnappmugg-Stimme beizubehalten.
‚Oh Prinzessin! Ich bin Fürst Ecki Witterknoll, ältester Sohn von Platti
Wintterknoll, Sohn von Rattlatti Wintternknollo, Tochtersohn von Gnillignalli
Winttenroknonill, Frittiglitti Witterknollbumsbadums‘, Er holte tief Luft, die
Namen von Gnappmuggs sind vollkommen wirr und für Außenstehende gänzlich
unverständlich, auch Hagen musste Luft holen, war nun aber voll in Fahrt.
‚Ich bin gekommen um euch ein Angebot zu machen, oh aller weißeste unter den
weißen Weißen Prinzessinnen, mögen eure Weißheitszähne sich nie lockern‘ „Und
er betonte das ß bei den Weisheitszähnen, auch wenn es eigentlich falsch war.
Aber die Prinzessin wusste nicht einmal dass es ein Wort wie Grammatik
überhaupt gab – in diesem Fall muss ich sie in Schutz nehmen, denn
Rechtschreibung war damals ein eher seltenes Gewächs im Garten der
Schreibkunst, genauso wie Körperhygiene und Toiletten“, Hagen seufzte, „Früher
war alles besser und beschissener!“
„Mama, er hat Beschissen gesagt!“, ein verhaltenes Lachen ging durch die Menge.
Hagen fuhr fort und seine quäkende Stimme wurde langsam ein wenig heiser:
„Wir bieten euch an, zum Ruhme eurer Person, den Sonnenuntergang weiß zu
färben!“
„Wie jeder weiß“, fuhr Hagen in seiner normalen Stimme fort, “war der
Sonnenuntergang zu jener Zeit nicht weiß – ich weiß. Er war blau und der
Sonnenaufgang grün mit kleinen rosafarbenen Flecken, die wie die Köpfe
irgendeines amerikanischen Präsidenten aussahen (natürlich ist das niemanden
aufgefallen, denn es gab zu jener Zeit keinen Geschichtsunterricht).
Die Prinzessin war hocherfreut. ‚Macht ihr das einfach so oder wollt ihr eine
Belohnung haben?“, fragte sie und schielte kaum merklich, weil eine Fliege auf
ihrer Nasenspitze gelandet war.
‚Wir möchten eine Hauptstadt haben. Um endlich nicht mehr heimatlos zu sein‘
erwiderte Fürst Ecki Witterknoll gedankenverloren, als träume er bereits von
seiner Stadt und dem tollen Gefühl nicht mehr heimatlos zu sein.
‚Eine Hauptstadt möchtet ihr haben? Was… ist… eine Hauptstadt?‘, die Prinzessin
war durch die Fliege auf ihrer Nase, mit den Gedanken in einem weit entfernten
Land.
‚Eine Hauptstadt ist eine Stadt, in der wir Gnappmuggs leben können. Eine große
Stadt, ausreichend groß für alle von uns. Mit einer Stadtmauer, einer kleinen
Kirche, einem Marktplatz und vielen Kneipen‘, erklärte der Gnappmugg geduldig,
wenn auch etwas ratlos. Er hatte insgeheim Angst, die Prinzessin könne von ihm
verlangen, die Unterschiede zwischen einer gewöhnlichen Stadt und einer
Hauptstadt zu erläutern. Dabei kannte er sie selbst nicht. Aber alleine das
Wort Hauptstadt hatte etwas magisches an sich und daher zog er es der gemeinen
Stadt vor.