Wer wild sein will braucht Freunde! (Erzählung)

Ein wilder Garten ist das Einfachste was man sich vorstellen kann. Man lässt einfach alles wachsen, tja, Pustekuchen. Wer einen wilden Garten sein Eigen nennen möchte, der auch noch biologisch wertvoll ist, muss am besten dafür studiert haben. Bienen, Hummeln, Heuhüpfer, sie alle stellen hohe Ansprüche, selbst der kleinste Fehler kann zu einer Tragödie führen, die Eschede alt aussehen lässt – in Insektenmaßstäben. Wenn man Wildbienen ein Insektenhotel anbietet und die Löcher in den Holzklötzen nicht richtig ausbohrt können sie sich ihre Flügel verletzten und wenn dir dein Leben lieb ist, verrate ja nicht, dass du Schmetterlingsflieder in deinem Garten zu stehen hast. Den Insekten? Ne, denen ist das wumpe, aber den Naturfreunden. Die rasten dann nämlich total aus. Wir hatten neulich eine Gruppe militanter Naturgärtner bei uns, die mit Fackeln und Mistgabeln die Schmetterlingsfliedersträucher ausrotten wollten. Zum Glück waren sie bereits abgeblüht und der wilde Mob konnte sie daher nicht vom sonstigen Grün unterscheiden: merke, auch Naturfanatiker können dumm wie Bohnenstroh sein.
Aber mal im Ernst, das Zeug blüht und sieht echt toll aus, die Schmetterlinge freuen sich darüber und dennoch ist er ein gemeiner, niederträchtiger Neophyt, ein Teufel, die Hure des Satans, die jedes Jahr über drei Millionen Samen produziert und sich schlimmer vermehrt als Mormonen und Karnickel zusammen. Er verdrängt einheimische Pflanzen, das macht er von allen Dingen am liebsten. Mit einem höhnischen Grinsen nimmt er kleinen Blümchen ihr Zuhause weg, reißt es ihnen mit blutdurstigen Krallenwurzeln aus den unschuldigen Blätterchen, schändet sie gewissermaßen vor unser aller Aiugen und bekommt dafür nur Applaus, weil er ein paar bunte Falter anlockt. Der Knabe aus dem Rosenlied ist einfach ein Witz gegen den Schmetterlingsflieder, der wie eine schwarze Wolke über dem ansonsten so idyllischen Naturgarten hängt.
Wir haben freilich noch keine Probleme mit unkontrollierter Vermehrung des Schmetterlingsflieders gehabt. Um ehrlich zu sein wäre es uns gar nicht so unlieb gewesen, wenn er es getan hätte. Das Zeug ist einfach klasse, aber gerade weil dieser Strauch so durch und durch böse ist vermehrt er sich nur, wenn er es nicht darf. Denn Schmetterlingsfliederbüsche hassen Insekten, vor allem Schmetterlinge. Sie leben nur, um sich zu vermehren und einheimische Arten zu verdrängen. Die vielen Falter, die ihn umschwirren schüren seinen Hass auf die Schöpfung nur noch mehr. Er überlegt sich bereits einen Bürohengst bei der Evolution zu bestechen, damit er ihm eine giftige Mutation bastelt und natürlich einen Selbstbestäubungsmechanismus. Blühen möchte er weiterhin, denn Schmetterlingsflieder sind eitel wie Oskar, hochnäsig und selbstverliebt, egoistisch, faul, verlogen – sie wären die perfekten Politiker.
Bei allen diesen Widerständen, dem bösen Schmetterlingsflieder, der natürlich sein wahres Gesicht verbirgt, um von möglichst vielen Gärtnern in ihr grünes Heim geholt zu werden, ist es gut, wenn man Unterstützung erhält. Wer einen Naturgarten selbst auf die Beine stellen möchte, wird sehr bald an seine Grenzen stoßen, oder vom oben erwähnten Mob in Stücke gerissen, weil die Bohrlöcher in irgendeinem Holzbrett nicht sauber genug gefeilt sind: „DRECKIGER BIENENSCHÄNDER! LYNCHT DAS MIESE STÜCK DRECK!“, tönt es dann voller Pathos, ehe sie dich auf einem Spieß aus Schmetterlingsfliederholz über einem Feuer rösten, vermutlich um später Igelfutter aus dir zu machen, oder deine Knochen zu irgendeinem Hortusgebilde aufzuschichten.

Als ich beschlossen habe einen Naturgarten zu haben, oder zu erschaffen, war ich glücklich, denn ich kannte die Feinheiten noch nicht, die auf mich zukommen würden und in Bücher umgerechnet ungefähr ein Drittel einer durchschnittlichen Lagerhalle füllen würden. Man badet sich in der Wärme seiner Unschuld, seiner Naivität, dass nämlich ein Naturgarten durch reine Unberührtheit entsteht. FEHLANZEIGE! Er bedarf hingebungsvoller, leidenschaftlicher Pflege. Ein Magerrasen wächst nicht von alleine, Wildblumen wachsen nicht von alleine – oder wenn sie es doch tun, lassen sie sich Zeit damit. Nichts wächst von alleine, außer die Scheusale des Bösen: die Neophyten, die wachsen von alleine, sogar sehr gut. Gott scheint Naturgärten zu hassen, oder er ist ein Spitzbube und freut sich einfach, wenn Naturgärtner sich die Haare raufen, weil schon wieder Riesen-Goldrute hochgeschossen ist.
Und als ich gerade überlegte, wie zum Teufel ich das alles hinkriegen soll, flatterte mir ein Brief ins Haus, vollgestopft mit guten Tipps, Samenbeutelchen und viel Liebe. Leider fehlen ein paar persönlichen Worte darin, ich habe nach dem Nachnamen des Absenders gesucht, aber nichts gefunden. Irgendjemand wollte mir mal etwas derartiges schicken, aber wer?
Hey, du unbekannte gute Seele, melde dich, damit ich mich persönlich bei dir bedanken kann. Bei Briefen wie dem deinen geht mir das Herz auf. Ich liebe Samentütchen und all das, auch die Hinweisblätter und die sehr ausführlichen Informationen und so weiter sind großartig. Auch die Informationen über den Schmetterlingsflieder, aber wir werden ihn behalten – es steckt mehr Gutes in ihm als du glaubst, wie bei Darth Vader.
Mit Leuten wie euch ist es möglich, trotz aller Gefahren, allem Unwissens und aller Probleme einen Naturgarten hinzukriegen. Ich glaube ich werde eine Art Denkmal bauen, da kommen alle Namen rauf, die mich irgendwie unterstützt haben, den Garten zu deichseln.
Habt ihr gehört? Ihr Unbekannten, stillen Leser? Schickt mir Pflanzensamen einheimischer Kräuter, oder andere Briefe, die mit dem Naturgarten im Zusammenhang stehen und ich werde euch unsterblich machen. 😉 Ich muss mir dafür noch was Passendes überlegen.

Bis dahin,

Euer Benjamin

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