Katastrophal schönes Silvester! (Kapitel 1)(Erzählung)

Obgleich wir Rugeshus verkaufen wollten, taten wir es nicht, damit fing es an. Eigentlich wurde uns diese Entscheidung aus den Händen genommen, denn die Maklerin, die unser Haus für einen sagenhaften Preis verkaufen wollte und uns versicherte, dass sie zahlreiche Interessenten habe, die sich untereinander schlagen würden, um den Vertrag zu unterzeichnen, diese Maklerin stellte sich als absolut unfähig heraus. Doch mittlerweile hatten wir uns ein Konzept überlegt, mit dessen Hilfe wir Rugeshus vielleicht doch weiterbetreiben könnten, ohne in den Schuldenturm geworfen zu werden, ich schrieb davon, ihr erinnert euch. Als nun alles bombenfest war und ich nicht mehr fürchten musste, dass die Maklerin doch noch ein Kaninchen aus dem Haus ziehen und Rugeshus erfolgreich verhökern würde, fragte ich meinen Vater, ob ich nicht wieder für Rugeshus tätig sein sollte. Dieses Mal, so schlug ich ihm vor, als Werbetexter und Verwalter, meine Zeit als Pensionsleiter war vorbei und ich wollte keinen Neustart versuchen. Er war sichtlich erfreut über das Angebot und stellte mich postwendend ein.
Meine erste Tat, als rugeshuser Copywriter, bestand in der Ankündigung und Planung eines Silvester-Events. Hätte ich gewusst, welche Prüfungen und Leiden vor meinem Team und ihrem Kapitän, also mir, lagen, ich hätte mich der Verzweiflung anheimgegeben – selbst Odysseus lange Reise, war gegen unsere Odyssee ein Kindergeburtstag. Schließlich hatte der gute Ody keinen Schimmer von Ölheizungen, was zeigt, dass die Götter doch eine Gewisse Gnade zeigten, als sie ihm stattdessen nur Zyklopen und das ganze andere Kruppzeug schickten. Doch ich ahnte nichts und stürzte mich munter ins Abenteuer.
Friedrich, der bereits das letzte Silvesterfest ausrichtete, sollte auch 2019 wieder mit von der Partie sein und er war gleich Feuer und Flamme, als er von seiner Aufgabe erfuhr. Er wollte am 27.12.2019 nach Rügen fahren und so geschah es dann auch. Ich gab ihm wertvolle Tipps mit auf den Weg und freute mich, dass in diesem Jahr alles weniger stressig ablaufen würde, als beim letzten Mal. 2018 gab es erhebliche Probleme mit dem Personal, das Rugeshus in keinem guten Zustand zurückließ. Auf Rügen ist es leicht Angestellte zu finden, jedenfalls, wenn man keinerlei Ansprüche an sie, ihre Arbeit und Zuverlässigkeit stellt. Jörg, einer unserer treusten Mitarbeiter, zählt zu den wenigen Ausnahmen, die die Regel bestätigen.

Um Friedreich gebührend zu empfangen, fiel, kaum hatten seine Schuhsohlen die Türschwelle betreten, die Heizung aus – dachten wir zunächst, die Wahrheit war, dass sie bereits vor Tagen ausgefallen sein musste, denn das Haus hatte sich bereits gefährlich abgekühlt – also eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Die Zimmertemperatur lag bei stolzen 12 Grad, was zwar deutlich wärmer als die mickrigen 2 °C draußen waren, aber immer noch kalt genug, um kalt genannt zu werden. Friedrich, von der langen Autofahrt sichtlich gezeichnet, rief bei mir in Berlin an und schilderte mir die Sachlage. Ich riet ihm, als erstes den Ölstand zu überprüfen. Das Problem war, dass Friedrich keine Ahnung hatte, wo der Öltank vergraben war. Zudem war es stockdunkel. Doch wir wollten nichts unversucht lassen und so schnappte er sich eine Taschenlampe und das Telefon, an dessen anderem Ende ich ihm Ratschläge zu geben gedachte, öffnete die Haustür und trat, heldenhaft und selbstkasteiend, ohne Jacke und Pullover, in die sternenklare Winternacht hinaus. Das vernehmliche Schnappen des Türschlosses sagte mir, dass er das Haus verlassen hatte. Dann folgte eine lange Pause.

„Ich habe mich ausgesperrt. Oder? Doch, ich habe mich ausgesperrt. Haha!“, hörte ich ihn sagen, gut gelaunt wie immer. Ich lachte, lobte ihn für den guten Scherz und meinte, dass er doch nun zum Öltank gehen solle. „Nein“, erwiderte Friedrich fröhlich, „Ich habe mich ausgesperrt!“
„Friedrich, lass den Mist. Du hast dich nicht ausgesperrt, oder?“, in meiner Stimme schwang ein wenig Panik mit.
„Doch. Haha!“, es folgte wieder eine Pause, als ich die Neuigkeiten verdaute. Es hatte keinen Zweck hysterisch zu werden. Ich musste die Problematik aufklären, gute Fragen stellen, logisch handeln und eine Lösung finden, vollkommen cool, als hätte ich Eiswasser in den Adern – das muss man schaffen, wenn man ein Profi ist.
„Du willst damit sagen“, ich zögerte „Ähm… dass… äh… du dich… äh… ausgeschlossen hast?“, wir ihr seht, schaffte ich es nicht.
„Ja, das sagte ich“, Friedrich schien durch das Telefon zu grinsen – ich weiß nicht wie, aber er schaffte es.
Eine lange Pause schloss sich an. Dann lachten wir beide so laut, dass meine Frau vor Schreck fast von der Couch gefallen wäre.
„Wo war der Ersatzschlüssel versteckt?“, fragte Friedrich herzlich, als wir uns etwas eingekriegt hatten.
„ES GIBT KEINEN! WEIL RUGESHUS VERKAUFT WERDEN SOLLTE, HABEN WIR IHN MITGENOMMEN! ER LIEGT HIER NEBEN MIR! SCHEISSE!“, grölte ich in den Hörer. Vor Lachen krampfte sich mein Bauch zusammen.
„Friedrich?“, fragte ich schließlich keuchend, „Kannst du nicht mit einem Zimmerschlüssel aus dem Schlüsselsafe ins Haus kommen?“ (meine Frau hatte diesen tollen Einfall gehabt)
„Ähm… ich habe den Schlüssel innen stecken lassen“, kam die zögerliche Antwort.
„Wieder kein Scherz?“, fragte ich, einer Ohnmacht nahe, „Warum?“
„Ich habe keine Ahnung, glaub, ich wollte die Tür abschließen, bevor du meintest, ich soll den Ölstand prüfen.“
Wir lachten wieder, bis ich entsetzlich husten musste, dann fiel mir etwas ein.
„Du hast eine Jacke an, oder?“
„Nein! Haha!“
Ich zögerte, „Ist es kalt?“
„Ja, nur zwei Grad, oder so, geht schon.“
„Es geht schon?! Friedrich?“, sagte ich mürrisch.
„Ja? Hast du eine Idee?“, seine Stimme klang elfengleich, hoffnungsfroh in der Nacht, da er eine Lösung erwartete, eine Errettung aus der Not. Er vertraute mir, legte sein Wohl und Wehe in meine Hände, die Hände des Teamleiters. Wenn es keinen Weg gab, so wusste er, würde Benjamin einen finden.
Ich räusperte mich, denn das was ich nun zu sagen hatte, musste man ihm schonend beibringen: „Wir sind am Arsch!“

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